16.11.2011

Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer wird erneut geprüft

Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz wurde mit Wirkung ab 2009/2010 geändert, da das frühere Recht vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden war. Auch gegen das neue Recht wird der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit erhoben, der auf mehrere Argumente gestützt wird. Der Bundesfinanzhof hat soeben in einem Beschluss diese Bedenken zum Teil aufgegriffen und das Bundesfinanzministerium zum Beitritt in einem Revisionsverfahren aufgefordert. Es geht um folgende Punkte:

1. Benachteiligungen von Nichten, Neffen und Geschwistern:

Die Steuerklasse II, zu der insbesondere Geschwister sowie Nichten und Neffen gehören, wurde ab 2009 der Steuerklasse III gleichgestellt. Zur Steuerklasse III gehören insbesondere Personen, die mit dem Schenker oder Erblasser nicht oder entfernt verwandt sind. Ab 2009 galt für Steuerklasse II der gleiche Tarif wie für Steuerklasse III, was einen Steuersatz von mindestens 30 % bedeutete. Mit Wirkung ab 2010 wurde der Tarif für Steuerklasse II wieder etwas gemildert. Der Bundesfinanzhof hat Zweifel, ob diese Milderung der Steuersätze für Steuerklasse II nicht schon mit Wirkung ab 2009 hätte eingeführt werden müssen. Die Behandlung naher Verwandter wie völlig Fremde sei bedenklich.

2. Vergünstigungen für Betriebsvermögen

Für Betriebsvermögen wurde mit Wirkung ab 2009 eine Reihe von Vergünstigungen eingeführt, durch die es unter bestimmten Voraussetzungen weitgehend oder völlig steuerfrei auf Beschenkte oder Erben übergehen kann. Der Bundesfinanzhof bezweifelt, ob die Vergünstigungen mit dem Gleichheitssatz der Verfassung vereinbar sind. Die Vergünstigungen könnten durch geschickte Gestaltungen auch für Vermögenswerte genutzt werden, für deren Privilegierung kein sachlicher Grund bestehe. So könnten z.B. bestimmte Geldforderungen als Betriebsvermögen begünstigt sein, während sie im Privatvermögen voll der Steuer unterliegen. Die Vergünstigungen könnten auch durch Einlage in eine sog. gewerblich geprägte Gesellschaft (z.B. eine vermögensverwaltende GmbH & Co. KG) genutzt werden, also allein auf Grund der Rechtsform, durch die das Vermögen gehalten wird.

Erben und Beschenkte sollten im Einzelfall prüfen lassen, ob im Hinblick auf das anhängige Verfahren ein Einspruch gegen Steuerbescheide zweckmäßig ist. Vermutlich wird die Finanzverwaltung anordnen, dass die Bescheide vorerst vorläufig zu ergehen haben



Erbschaftsteuergesetz
Verfassungsmäßigkeit
Steuerklassen
Betriebsvermögen
BFH v. 5.10.2011, II R 9/11
Haftungshinweis:
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