11.05.2012

Treaty override verfassungswidrig?

Deutschland hat mit ca. 90 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen über die Ertragsteuern abgeschlossen. In ihnen wird geregelt, welchem der Vertragsstaaten das Recht zur Besteuerung von Einkünften zusteht, die eine in dem einen Staat ansässige Person aus wirtschaftlichen Vorgängen erzielt, die einen Bezug zu dem anderen Staat haben. Es soll eine doppelte Besteuerung der gleichen Einkünfte vermieden werden. Dies wird meist dadurch erreicht, dass die Einkünfte aus dem anderen Staat im Wohnsitzstaat von der Steuer freigestellt werden (Freistellungsmethode). Für manche Einkünfte ist die Anrechnungsmethode vorgesehen.

Bei Einkünften, für welche die Freistellungsmethode vorgesehen ist, kann es im Einzelfall vorkommen, dass der andere Staat von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrach macht, sei es, weil er von den Einkünften nichts erfährt oder aus anderen Gründen. Der Wohnsitzstaat darf die Einkünfte gleichwohl nicht besteuern, da ihm das Abkommen das Besteuerungsrecht nicht zugeteilt hat. Einen Rückfall des Besteuerungsrechts auf den Heimatstaat sehen die Abkommen gewöhnlich nicht vor.

Der deutsche Gesetzgeber ist in den letzten Jahren dazu übergegangen, unversteuerte Einkünfte dadurch zu vermeiden, dass er die Steuerfreistellung in Deutschland von einem Nachweis der Versteuerung in dem anderen Staat abhängig macht. Eine solche Regelung wurde z.B. geschaffen für Arbeitslohn, der für eine Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat gezahlt wird. Es ist umstritten, ob Deutschland berechtigt ist, sich das Besteuerungsrecht für Einkünfte, das nach dem Abkommen nur dem anderen Staat zusteht, einseitig zurückholen kann. Es wird darin ein sog. Treaty override (Abkommensüberschreibung) gesehen, das völkerrechtlich nicht zulässig sei.

Der Bundesfinanzhof hat sich nun diesen Bedenken entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung angeschlossen und die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Das Verfahren betrifft Arbeitslohn für eine in dem anderen Vertragsstaat ausgeübte Tätigkeit. Dem Verfahren wird große Bedeutung beigemessen, da dies nicht der einzige Fall von Treaty override ist.



Doppelbesteuerungsabkommen
treaty override
Arbeitnehmer
Freistellungsmethode
BFH v. 10.1.2012, I R 66/09
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