Bankangestellte, die durch anonyme Banktransfers ins Ausland dazu beigetragen haben, dass anonym gebliebene Anleger möglicherweise Kapitalertragsteuern hinterzogen haben, können nicht ohne konkreten Nachweis der Hinterziehung für diese Steuern nach § 71 AO in Haftung genommen werden. Eine Berechnung hinterzogener Steuern entsprechend einer Vergleichsgruppe ist nicht ausreichend. Der Bundesfinanzhof entschied.
Der Kläger hatte als Leiter der Wertpapieradministration einer Großbank Anfang der 90er Jahre daran mitgewirkt, dass Kunden anonym Wertpapiere auf Tochtergesellschaften der Bank ins Ausland transferieren konnten. Die Finanzverwaltung konnte später bei 75 % der Kunden wieder eine namentliche Zuordnung vornehmen und stellte fest, dass idR. diese keine Steuer auf die Kapitalerträge abgeführt hatten. Bei den übrigen Fällen, die anonym blieben, errechnete die Finanzverwaltung mittels Nominalwert, durchschnittlicher Verzinsung und einer Vergleichsgruppe den eingetretenen Steuerschaden und nahm dafür den Kläger nach § 71 AO wegen geleisteter Beihilfe zur Hinterziehung in Steuerhaftung. Das FG urteilte zugunsten des Klägers.
Der BFH bestätigte das Urteil. Allein die Tatsache des anonymen Kapitaltransfers reichte nicht aus, um eine hinreichender Überzeugung zu gewinnen, dass die anonym gebliebenen Kunden Steuern auf die ins Ausland erzielten Erträge hinterzogen haben. Voraussetzung für die Haftung als Gehilfe einer Steuerhinterziehung sei stets, dass die Steuerhinterziehung feststeht, wobei Zweifel zu Lasten des Finanzamtes gehen, welches die Feststellungslast hat. Eine „gruppenspezifische Betrachtung“ sei im Gesetz nicht vorgesehen.