11.04.2014

Anrufungsauskunft: Arbeitnehmer können sich unter „Schirm der Bindungswirkung“ retten

Durch eine Anrufungsauskunft können Arbeitgeber eine lohnsteuerliche Sachlage rechtsverbindlich durch das Finanzamt klären zu lassen (z.B. Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft, Pauschalierungsfragen). Zentraler Vorteil dieser Auskunft ist, dass das Finanzamt an seine darin getroffenen Aussagen gebunden ist. Setzt der Arbeitgeber den Sachverhalt später wie geschildert um, darf das Amt Lohnsteuer weder per Nachforderungs- noch per Haftungsbescheid nacherheben.

Ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigt, dass diese Selbstbindung auch gegenüber Arbeitnehmern fortwirken kann. Im vorliegenden Fall hatte eine Anrufungsauskunft ergeben, dass der Arbeitgeber sogenannte Nachteilsausgleichszahlungen als negative Einnahmen des Arbeitnehmers behandeln darf. Der Arbeitgeber verfuhr nach dieser Auskunft und verrechnete die laufenden Bruttolöhne mit den Negativbeträgen, sodass weniger Lohnsteuer einbehalten wurde; er stellte entsprechende Lohnsteuerbescheinigungen aus. Später versuchte das Betriebsstättenfinanzamt zwar, die erteilte Auskunft zu widerrufen, scheiterte damit aber vor dem BFH.

Die Wohnsitzfinanzämter der Arbeitnehmer erfuhren von der vorgenommenen Lohnminderung und wurden daraufhin selbst tätig: Ein Finanzamt aus dem Rheinland forderte die zu wenig gezahlte Lohnsteuer direkt beim Arbeitnehmer nach. Dessen Klage vor dem BFH hatte aber Erfolg: Die Bundesrichter entschieden, dass das Finanzamt die vom Arbeitgeber aufgrund der (unrichtigen) Anrufungsauskunft zu wenig einbehaltene Lohnsteuer nicht vom Arbeitnehmer nachfordern darf. Denn die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers hat das Finanzamt durch seine erteilte Auskunft verbindlich festgestellt; die Bindungswirkung der Auskunft erstreckt sich auch auf das Lohnsteuerabzugsverfahren gegenüber dem Arbeitnehmer.

Hinweis: Das Urteil stärkt die Rechte von Arbeitnehmern und markiert einen Richtungswechsel des BFH. Bislang war das Gericht davon ausgegangen, dass das Finanzamt im Lohnsteuerabzugsverfahren gegenüber dem Arbeitnehmer einen anderen, ungünstigeren Rechtsstandpunkt vertreten kann als im Auskunftsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber.



BFH, Urt. v. 17.10.2013 – VI R 44/12; www.bundesfinanzhof.de
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